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Rettung der Gründungsurkunde des Heilbades Bad Neuenahr: Pressekonferenz mit Ministerin Binz im Landesbibliothekszentrum

Koblenz/Bad Neuenahr-Ahrweiler. Sie stellt ein einzigartiges Zeugnis der „Geburt“ des Heilbades Neuenahr dar: Die Urkunde der Quellenweihe 1858 aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, im Volksmund „Apollinaris-Urkunde“ genannt. Sie wurde bei der Ahr-Flut im Juli 2021 massiv beschädigt: Teile des aus Pergament bestehenden Dokuments und der handschriftlichen Signaturen haben sich mit dem Glas der Rahmung verbunden. Wie das historische Dokument gerettet werden kann, beschäftigt Fachleute aus mehreren Bundesländern.
V.l.n.r.: Peter Diewald (Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler), Prof. Dr. Andrea Pataki-Hundt (CSCI Köln), Kulturministerin Katharina Binz und Diplom-Restauratorin Ricarda Holly im Gespräch über die beschädigte Urkunde.
V.l.n.r.: Peter Diewald (Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler), Prof. Dr. Andrea Pataki-Hundt (CICS Köln), Kulturministerin Katharina Binz und Diplom-Restauratorin Ricarda Holly im Gespräch über die beschädigte Urkunde. CICS

Die hierbei gewonnen Erkenntnisse zur Wiederherstellung von Pergamentdokumenten sollen der internationalen Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Über den Stand der Restaurierung und die Anstrengungen des Landes zum Kulturgutschutz informierten am 13. Juli 2023 im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz (LBZ) in Koblenz:

  • Katharina Binz, Kulturministerin (MFFKI)
  • Dr. Annette Gerlach, Leiterin des Landesbibliothekszentrums RLP,
  • Prof. Dr. Andrea Pataki-Hundt (Köln, Cologne Institute of Conservation Sciences, CICS),
  • Peter Diewald (Erster Beigeordneter der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler),
  • Heike Wernz-Kaiser M.A. (Bereichsleitung Kultur Bad Neuenahr-Ahrweiler) und
  • Ricarda Holly, Diplom-Restauratorin (Restaurierungsatelier Holly, Vorstand Verband der Restauratoren VDR).

 

Nach der großen Flut im Ahrtal stand die Hilfe für die Menschen vor Ort im Mittelpunkt der Hilfe der Kommunen, des Landes und des Bundes. Im Laufe der folgenden Monate wurde jedoch klar: Auch unwiderbringliche historische Dokumente sowie Kulturgut in Museen und teilweise auch in Bibliotheken und Archiven hatten schwerwiegende Schäden erlitten. Ein gemeinsames Handeln der Verantwortlichen im Tal mit dem Land und der im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz beheimateten Landesstelle für Bestandserhaltung (LBE) sowie mit Restaurierungs-Experten aus ganz Deutschland wurde notwendig.

 

Bedeutung der Urkunde

Die Urkunde ist ein einzigartiges Zeugnis der „Geburt“ des Heilbades Neuenahr, erstellt anlässlich der Quellenweihe 1858. Sie trägt neben anderen auch die Originalunterschrift der späteren Königin von Preußen und deutschen Kaiserin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach. Mit dem Dokument wird die Namensgebung der „Augusta“- und „Victoria“-Quelle belegt. Mit den Worten „Gott schütze Neuenahr“ von Prinzessin Augusta geschrieben, wird das neue Heilbad erstmals mit dem Namen „Neuenahr“ in Verbindung gebracht.

Das Originaldokument ist in vielerlei Hinsicht wertvoll für das „Gedächtnis“ der Region: So hat es für zahlreiche historische, regionalgeschichtliche, wirtschaftsgeschichtliche und medizingeschichtlichen Fragestellungen einen bedeutenden Quellenwert für die Forschung.

Die Urkunde ist ein anschauliches Zeugnis für die weltweit bedeutende Geschichte der Bäderkultur, in der auch Rheinland-Pfalz eine wichtige Rolle spielt. 
Nicht zuletzt ist die Urkunde Zeugnis für die Gefahren, die Kulturgut durch Katastrophen und Notfälle drohen und sie zeigt, wie komplex die Restaurierung sein kann.

 

Schäden durch die Flut

Beim Hochwasser an der Ahr am 14. Juli 2021 wurde die Urkunde massiv beschädigt. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt im Bereich des Cafés im Kurpark Bad Neuenahr. Durch das Flutwasser wurde sie sehr stark durchfeuchtet. Aufgrund der dramatischen Situation im Tal gelangte die Urkunde erst im August 2021 in das Restaurierungsatelier von Ricarda Holly in Kruft. Zwar konnten in der Zwischenzeit der Schmuckrahmen und das dazugehörende Trinkglas von Prinzessin Augusta dank privater Spenden über den Museumsverband Rheinland-Pfalz und der Amtshilfe des Erkenbert-Museums Frankenthal restauriert werden – die Rettung der Urkunde selbst stellt sich aber als bisher in der Wissenschaft unbekannter Problemfall dar, der Expertinnen und Experten aus Rheinland-Pfalz und ganz Deutschland beschäftigt. Der Grund: Teile des aus gekalktem Pergament bestehenden Dokuments und der handschriftlichen Signaturen sind durch die Feuchtigkeit aufgequollen und haben sich mit dem Glas des Bilderrahmens verbunden. Eine Ablösung der „Calcinierung“ bei gleichzeitigem Erhalt der Darstellung scheint nach heutigem Kenntnisstand unmöglich. Es liegt in der Restaurierungshistorie kein vergleichbarer Schaden eines Pergaments vor.

 

LBE organisiert Treffen mit Expertinnen und Experten

Auf Initiative der Landesstelle für Bestandserhaltung (LBE) in Rheinland-Pfalz kamen deshalb im Mai 2023 auf Pergament-Restaurierung spezialisierte Expertinnen und Experten aus Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg in den Räumen des Landesbibliothekszentrums (LBZ) in Koblenz zusammen, um die weiteren Schritte zur Rettung des Dokuments zu beraten.

Nach Meinung des Gremiums ist die weitere Behandlung der Urkunde als Forschungsprojekt einzustufen und zu dokumentieren. Das Vorgehen soll als Beispiel für zukünftige Restaurierungsprojekte zur Rettung von schriftlichem Kulturgut nach Katastrophen dienen. Die Urkunde wird als Zeitdokument der Flut 2021 eingestuft. Es ist nicht das Ziel und erscheint auch schwer möglich, sämtliche Wasserschäden zu beseitigen.

Geplant ist jetzt zunächst die Digitalisierung/das Anfertigen eines Faksimiles zur Dokumentation des aktuellen Zustandes. In einer späteren Gegenüberstellung zur restaurierten Urkunde könnte so in Ausstellungen die Arbeit der Restauratorinnen und Restauratoren dokumentiert werden. Nach einer Analyse von Materialproben im Kölner Institut für Konservierungswissenschaften (CICS) soll dann versucht werden, die noch auf der Scheibe klebenden Bereiche des Pergaments zu lösen, die Papierverklebungen auf der Rückseite zu beseitigen und das Pergament zu reinigen und zu glätten.   

 

Ministerin Binz lobt Zusammenarbeit

Ministerin Binz kündigte weitere Anstrengungen des Landes an, um für kommende Notfälle und Katastrophen auch beim Kulturgutschutz besser aufgestellt zu sein. „Die Beschädigung der Apollinaris-Urkunde vermittelt eindrucksvoll, was ein Hochwasser anrichten kann und wie aufwändig danach die Rettung ist. Sie erinnert uns daran, dass wir in unseren Anstrengungen zum Schutz wertvoller Kulturgüter nicht nachlassen dürfen. Wir werden deshalb den eingeschlagenen Weg zum präventiven Kulturgutschutz gemeinsam mit den Fachleuten und dem Innenministerium weitergehen. Neben der bereits eingerichteten Landesstelle für Bestanderhaltung spielt hier künftig der Aufbau eines Kulturgutkatasters und eines landesweiten Notfallverbundes eine wichtige Rolle“.

Die Leiterin des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz (LBZ), Dr. Annette Gerlach, lobte den Einsatz der Restauratorinnen und Restauratoren, die gemeinsam mit anderen Fachleuten bei der Suche nach einer Lösung für die Wiederherstellung der Urkunde nichts unversucht lassen würden. Angesichts dieser besonderen Problematik habe die Landesstelle Bestanderhaltung (LBE), die im LBZ angesiedelt ist, im Vorfeld schnell gehandelt und das Treffen der Fachleute in Koblenz organisiert. „Wir haben mit der Apollinaris-Urkunde Neuland betreten. Wir brauchen die spezialisierte Forschung, um bei bisher unbekannten Schadensbildern aktiv werden zu können und neue Restaurierungschancen für wertvolle Kulturgüter nach Großschadensereignissen wie der Ahr-Flut zu ermöglichen.“

 

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