Gott, Schöpfer Himmels und der Erden (2017)
Ausstellung in der Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken vom 24. August 2017 bis 2. Februar 2018
Die „Rüstkammer des rechten Glaubens“, die Bibliothek des Pfalzgrafen Karl von Pfalz-Birkenfeld (1560-1600), enthält eine Sammlung der wichtigsten reformatorischen (Kontrovers-) Literatur sowie zahlreiche Bibeln. Sie gehört heute zum Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz in Zweibrücken. - Zeigte die Bibliotheca Bipontina zu Beginn der Luther-Dekade wie die Sozialisation des Pfalzgrafen und der Bibliotheksaufbau parallel zur Entstehung des Konkordienbuches (1580) verliefen, so steht nun einer seiner schönsten Bände im Mittelpunkt der Betrachtung, Luthers 1543 bei Hans Lufft in Wittenberg erschienene Bibelübersetzung mit ihrer Schöpfungsdarstellung.
Nicht nur die Ikonographie dieses zentralen Werkes, seine Prägung durch den Reformator und die Vorbildfunktion für spätere Darstellungen werden mit zahlreichen Exponaten belegt. Wichtig ist den Veranstaltern vor allem darzustellen, in welcher Tradition das Kosmos-Verständnis des Reformators stand, das hier in Holz geschnitten wurde.
Hier finden Sie den Eröffnungsvortrag von Bischoff Jobst Schöne (pdf-Datei) die vollständigen Ausstellungstexte von Dr. Sigrid Hubert-Reichling (Kuratorin) sowie eine Auswahl von Exponaten im Bild (Fotos: LBZ / Niemeyer).
M.L. BBc 80, S. 62"Auch habe ich die Bilderstürmer selbst gesehen und hören lesen aus meiner verdeutschten Bibel. Nun sind gar viele Bilder in denselbigen Büchern, beide, Gottes, der Engel, Mensch und Tiere, sonderlich in der Offenbarung Johannis und in Mose und Josua. So bitten wir sie nun gar freundlich wollten uns doch auch gönnen zu tun, das sie selber tun, dass wir auch solche Bilder mögen an die Wand malen um Gedächtnisses und besseren Verstandes willen: sintemal sie an den Wänden ja so wenig schaden, als in den Büchern."
Vitrinen 1-3: Der Kreis als kosmologisches Leitsymbol von Schöpfung und Heilsgeschichte bis zur Cranachbibel
Der Kreis gilt als Symbol des gleichermaßen Endlichen wie Unendlichen. Er stellt die Idee der vollkommenen Form dar. So versteht ihn auch Platon in dem berühmten „Siebten Brief“ über die Erkenntnis. Hier führt er seinen Studenten die Unfassbarkeit der Idee im vollkommen Runden vor Augen.
Schon in prähistorischer Zeit taucht er in Felsritzungen zusammen mit der abgeleiteten Form der Spirale als Chiffre für das Göttliche und schlechthin Transzendentale auf. Auch die kultischen Steinlabyrinthe der sogenannten ‚Trojaburgen‘ und die megalithischen Steinkreise vom Typ ‚Stonehenge‘ in Nordeuropa gehören in diesen Zusammenhang. Die bronzezeitliche „Himmelsscheibe“ von Nebra verweist auf den Zusammenhang von religiösem Kult und realer Himmelsbeobachtung. Sehr früh schon verschmelzen transzendentaler Kosmos im Bild des Kreises und seiner Rotationsfigur der ‚Kugel‘ mit dem ‚Lauf‘ der Gestirne und der Ekliptik. Aus der Sinnfälligkeit des himmlischen Geschehens ergibt sich eine starke Legitimationsgrundlage für das jeweils geglaubte Wirken göttlicher Macht.
Die großartigen bildkünstlerischen Beispiele des christlichen Mittelalters zur Illustration des Schöpfungsgeschehens stehen damit bereits in einer mehrtausendjährigen Tradition nicht nur europäischen Denkens und künstlerischen Gestaltens. Für das Mittelalter prägend und bis in die frühe Neuzeit – die ausgestellten Werke belegen dies in großartiger Weise – von besonderem Interesse sind dabei die Position und Gestalt des göttlichen Wesens gegenüber der Vollkommenheit, aber auch Endlichkeit seiner kreisrunden Schöpfung.
Es ergeben sich zwei grundsätzliche Transzendenz-Positionen: Zum einen ein unfassbares ‚Außerhalb‘ (‚Himmel‘), aus dem heraus Gott in den einzelnen Schöpfungsakten als Vatergestalt mit umfassendem oder segnendem Gestus agiert (Cranachbibel), zum anderen ein ebenso unfassbares Zentrum, in dem das Lamm (Planisio-Bibel, Neapel 1362) oder das kosmische Kreuz (St. Apollinare in Classe, Apsis, 549; Stürzelbronn, Westtympanon, um 1200) als eschatologisches Zeichen der endlichen Erlösung stehen können. Beide Positionen verbinden sich im Zirkel als ‚Werkzeug‘ des göttlichen Baumeisters der Welt (Bibel Historiale des Jean de Berry, um 1390; Bible Moralisée, Cod. Vind. 2554, vor 1250). Aus der Außenposition heraus wählt Gott mittels eines Zirkels den ‚Einstichpunkt‘, um den herum sich Licht und Finsternis, die Elemente und die Sphären der Gestirne in ordnenden Kreisen gruppieren.
Zwischen den Kreisen von Licht und Finsternis, Feuer und Wasser, Sonne und Mond usw. herrscht oft eine dialektische Spannung, die die Dynamik des Schöpfungsgeschehens verdeutlicht, aber immer aufgehoben bleibt in der Vollkommenheit der Kreise als Ausdruck der göttlichen ‚harmonia mundi‘.
Einen besonders spannenden Aspekt der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ikonographie stellt die Veränderung der Position des göttlichen Wesens als Weltschöpfer dar. Schon die mittelalterlichen Buchmaler interpretieren die Nähe und ‚ekstatische‘ Liebe des Schöpfers zu seinem Werk durch dessen zunehmendes Eintreten in den Schöpfungskreis, bis er sich bei der Erschaffung des Menschen nahezu ganz in ihm befindet (Planisio-Bibel). In sehr seltenen Fällen, wie zum Beispiel in der ‚Kreuzritterbibel‘, lässt sich auch der umgekehrte Vorgang, ein Hinüberziehen des Menschen in die Sphäre der Transzendenz, beobachten. Soll hier die geistige ‚Gottesebenbildlichkeit‘ des Menschen bildkünstlerisch zum Ausdruck gebracht werden? Diese Tendenz verstärkt sich in frühneuzeitlichen Drucken, in denen Gottvater in größenähnlicher Menschengestalt in seiner Schöpfung umhergeht. Dabei wird meist auch die Kreisform aufgegeben zugunsten einer narrativ ausschmückenden Darstellung exotischer Tiere und Pflanzen des Paradieses, des Sündenfalls, der Vertreibung etc . Für das hohe Mittelalter bis zu Schedels ‚Weltchronik‘ und der Cranachbibel der Lutherzeit bleibt der Kreis als Ausdruck der Vollkommenheit des Geschaffenen vorbildhaft. Auch die mittelalterliche Kartographie in Gestalt des sogenannten TO-Schemas mit Jerusalem als oft rundes(!) Zentrum folgt dem Kreisschema.
Ein bemerkenswertes Beispiel der Adaption mittelalterlicher Kreissymbolik im säkularen Raum ist der Plan der Residenz des Markgrafen von Baden-Durlach, Karlsruhe, aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Symbole der göttlichen Weltschöpfung und -herrschaft werden dabei auf den absoluten Fürsten übertragen, der in seiner Person den Staat verkörpert. Hier verbindet sich die ideologische Konstruktion des Gottesgnadentums mit dem Machtanspruch eines gewissermaßen ‚göttlichen‘ Schöpfers über Raum, Zeit und Mensch in der Person des Markgrafen. Karlsruhe ist damit ein gutes Beispiel für die epochenübergreifenden Wirkungen symbolischer Formen.
(Text: Gerhard Kaiser)
Exponate Vitrinen 1-3
1.1. Die Schöpfung. Blatt aus der Bibel des Matteo de Planisio. Codex Vat. Lat. 3550, fol. 5, Neapel 1362 (Zürich: Belser Verlag 1990) – Signatur LBZ/BBZ 415 gr.
2.1. Der Weltenschöpfer. Titelminiatur aus der ‚Bible Moralisée'. Codex Vindob. 2554, fol. I v, 13. Jahrhundert (Druck: Akademische Druck- und Verlagsgesellschaft, Graz) – Ausstellungsplakat PLB Speyer 1987
2.2. Schöpfungstaten Gottes. Vorder- bzw. Rückseite eines Blattes der „Kreuzritterbibel. Die Bilderbibel Ludwigs des Heiligen“. Paris, Ms. Nouv. Acqu. Lat. 2294, fol. 1, 13. Jahrhundert (Luzern: Faksimile Verlag 1997) – Signatur LBZ/BBZ BBC 403 gr.
3.1. Jeremy Black: Metropolis. Die Stadt in Karten von Konstantinopel bis Brasilia. Stuttgart 2016
Vitrine 4: Die Reformation hat ein Gesicht: Bekannt sein und Bekenntnis
Lucas Cranach der Ältere (1472-1553) verlegte nicht nur die ersten Bibelübersetzungen Martin Luthers und prägte vor allem mit seinen papstkritischen Illustrationen die Erstausgabe der Übersetzung des Neuen Testaments (Septemberbibel 1521/22). Er sorgte auch durch zahlreiche Porträts des Reformators und seiner Frau in Gemälden und Einblattdrucken dafür, dass dieser über seine Schriften hinaus als Person ‚sichtbar‘ wurde. Der kluge Geschäftsmann trug damit wesentlich zur Bekanntheit des Reformators bei und ließ ihn so zum ‚Medienstar‘ des 16. Jahrhunderts werden, in dem die Menschen von visuellen Reizen noch nicht überflutet waren. – Auch zahlreiche Bibeln und sonstige Schriften von und über Luther enthalten sein Porträt und signalisieren durch die bildliche Präsenz des Reformators die Authentizität des Gedruckten. Dadurch machen sie die Bibeln vorab als ‚das Original‘ identifizierbar.
Eine im Lüneburger Verlag Stern 1620 erschienene Bibel zeigt Luther in seinem Arbeitszimmer, umgeben von Büchern, und vermittelt so sorgsame Recherche für den folgenden Text. Wie fest Luther in seinem Glauben und zu dem Wort der Bibel steht, symbolisiert ein Band zu seinen Füßen mit der Aufschrift „Bibel“ auf dem Kopfschnitt. – Der Schwan neben Luther verweist auf den Vorreformator Johannes Hus, tschechisch ‚Gans‘, der 1415 in Konstanz verbrannt wurde. Seine angebliche Äußerung: „Heute bratet ihr eine magere Gans, aber aus deren Asche wird ein Schwan auferstehen“, wurde häufig auf Luther bezogen.
Während in der vorliegenden Bibel im Vorwort ausdrücklich betont wird, sie sei „auffs fleissigste vnd correcteste“ dem von Luther zuletzt „corrigierten“ Exemplar nachgedruckt, fühlten sich die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg in späteren Jahren keineswegs mehr so eng an das Dogma des Wortes der Lutherübersetzung gebunden. Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Lüneburg (1579-1666) versuchte sich sogar selbst an einer sprachlichen Revision der Lutherbibel, die allerdings Fragment blieb.
Über die Vita Martin Luthers wird auch der des Lesens wenig Kundige in einer Altenburger Bibel von 1666 mit einer Folge kleiner Bilder informiert, die, umgeben von Bibelversen, als Frontispiz dem Text vorangestellt sind. Für den Zweibrücker historischen Bestand ist dieses Exemplar von besonderer Bedeutung, schildert doch ein handschriftlicher Eintrag, dass es 1667 zur Zeit der Regentschaft des Sohnes des Bibliotheksgründers mit Spendengeldern für die Trarbacher Kirchenbibliothek für 16 Taler gekauft wurde. Dies ist ein Beweis für den Erhalt des Luthertums in der Grafschaft Sponheim, wie es das väterliche Testament angeordnet hat.
Schmuck, vorausdeutend auf den Inhalt, aber auch Bekenntnis zum Glauben des Eigentümers, ist bei der Altenburger Bibel wie auch auf vielen anderen zeitgenössischen Einbänden die Abbildung des Reformators als Porträtsupralibros.
Exponate Vitrine 4
4.1. Biblia, Das ist: Die gantze Heilige Schrifft / Deutsch. D. Mart. Lvth. Jetzt von newem / nach dem letzten / von D. Lvthero S. vberlesenen Exemplar / mit fleiß corrigirt / Neben den Summarien Viti Dietrichs … Auch … Zeit-Historien- vnd LehrRegister … Mit einer newen Vorrede Herrn Johan Arndts. Lüneburgk: Johann und Heinrich Stern; Goßlar: Johann Vogt 1620 – Signatur LBZ/BBZ T 9 A
4.2. Der Erste Teil aller Deutschen Bücher und Schrifften des theuren / seeligen Mannes Gottes / Doct. Martini Lutheri vom XVII. Jahre an / biß auff das XXII. Altenburg in Meissen 1661: Fürstl. Sächs. Officin – Signatur LBZ/BBZ T 85 B
4.3. D. Pavli Apostoli ad Galatas Epistola. In Locos communes Theologicos digesta: et questionibus Methodi illustrate … Accesserunt etiam succinctae explicationes … Philippvs Heilbrvnner. Lavingae 1591: Reinmichel – (VD 16, H 1435), Signatur LBZ/BBZ T 273
Vitrine 5: Luthers Schriften in der „Rüstkammer des Glaubens“ des Pfalzgrafen Karl von Pfalz-Birkenfeld (1560–1600)
„Dises Erste Capitel ist einfeltig / vnd mit schlechten wörtern beschrieben / helt aber in sich gantz wichtige / grosse vnd sehr dunckele ding.“ Mit diesen Worten charakterisiert Martin Luther das erste Kapitel des Alten Testaments (1. Vorlesung, T 12 B). In zahlreichen Predigten, Kommentaren und vor allem seinem letzten großen Vorlesungszyklus (1535-1545) hat sich der Reformator immer wieder intensiv mit dem Text der Genesis beschäftigt. Wichtig für Luther ist, „ … das man darinnen vberall fürnehmlich sehen sol auff die sehr liebelichen vnd tröstlichen verheissungen vom Herrn Christo / welcher etliche sehr klar vnd deutlich in Mose stehen …“ (Vorwort, Predigten, Basilius Faber, T 69 B). Luther widerspricht der klassischen These „ex nihilo nihil fit“ (Aus dem Nichts entsteht nichts). Für ihn muss entgegen Aristoteles nicht bereits Materie vorhanden sein, damit Gott etwas Geordnetes daraus schaffen kann. Für Luther ist der schöpfende Gott, der durchaus trinitarisch verstanden wird, selbst die Quelle allen Seins. Gott schöpft willkürlich, ohne kausalen Zusammenhang oder äußere Notwendigkeit aus dem Nichts (creatio ex nihilo), nur durch sein Wort und seine Liebe. Alles ist abhängig von Gott, mit ihm aufs Engste verbunden und wird von ihm erhalten (creatio continua). Schöpfung, Erhaltung und die in der Bibel versprochene Neuschöpfung sind nach Luther gleichzeitig. Damit ist der Anfang zugleich Gegenwart und Zukunft: „Das Gott creator heist / das ist ein vnerforschlich ding / vnd Gott schaffts doch täglich … Das sind lauter wunder werck“ (Predigt vom 10. / 20. September 1540). In dem für den Menschen Unbegreiflichen des Schöpfungswerkes liegt für Luther der Grund, das Bibelwort ohne kommentierende Deutung beim Wort zu nehmen und auch ins Bild setzen zu lassen. Der Schöpfungsbericht ist für ihn nicht allegorisch zu verstehen.
Die ausgestellten Werke, Beispiele von Genesis-Kommentaren Luthers, stammen aus der Bibliothek des Pfalzgrafen Karl von Pfalz-Birkenfeld (1560-1600). Dieser besaß mehrere Gesamtausgaben der Werke des Reformators in lateinischer und deutscher Sprache, die er während seines zweiten längeren Aufenthalts in Dresden erworben und bei dem herausragenden Hofbuchbinder Jakob Krause ‚in teutscher Art‘, nämlich in Schweinsleder mit Blindpressung, hat binden lassen. Die benutzten Stempelplatten zeigen neben dem pfalzgräflichen Wappen als Supralibros alternativ Fortuna oder Justitia. Handschriftliche Eintragungen des Pfalzgrafen mit Namen, Motti und Erwerbungsdatum (1526) identifizieren den Eigentümer, dem diese kostbaren Bände zum intensiven theologischen Studium dienten, wie seine zahlreichen Markierungen und handschriftlichen Glossen beweisen.
Exponate Vitrine 5
5.1. Der Zehende Teil der Bücher des Ehrnwirdigen Herrn D. Martini Lutheri / Nemlich / die herrliche Auslegung vber das erste Buch Mosi … Wittemberg 1569 (Seitz und Schwenck) – (VD 16, L 3375), Signatur LBZ/BBZ T 69 B,1
5.2. Der Vierde Teil aller Bücher vnd Schrifften / des thewren seligen Mans Gottes D. M. L. vom XXVIII. jar an / bis auffs XXX. … Zum vierden mal gedruckt … Jhena 1574: Donatus Richtzenhan – (VD 16 L 3384), Signatur LBZ/BBZ T 12 B, 4
5.3. Index oder Register vber die Acht deudtsche Tomos / Erste vnd andern Drucks / aller Bücher vnd Schrifften des thewren vnd seligen Mans Gottes / Doctor Martini Lutheri … Gestellet Durch D. Timotheum Kirchnerum. Jhena 1573: Donatus Richtzenhan – (VD 16 L 3456), Signatur LBZ/BBZ T 12 B Ind.
Vitrine 6: Die ‚Wittenberger‘ Tradition: Kreis-Symbolik in Genesis-Abbildungen
Bei der Darstellung der Schöpfungsgeschichte lassen sich unterschiedliche Traditionsstränge erkennen. Für den mitteldeutschen Raum besonders prägend wurden vorlutherische deutsche Bibeln der Inkunabelzeit wie die Kölner Bibel (1478), deren Druckstöcke 1483 von Koberger in Nürnberg übernommen. Die Genesisabbildung in der Lutherbibel seit 1534 steht in dieser Tradition.
Bezeichnend ist hier die Abbildung einer transzendenten Gottvatergestalt, die am Ende des Schöpfungsprozesses steht. Wörtlich der Schilderung der Genesis folgend werden die verschiedenen Sphären Himmel, Wasser und Erde kreisförmig abgebildet und unterschiedlich detailreich ausgestaltet. Die Bevölkerung des Gott zugeordneten Himmels durch Engelscharen und Evangelisten entfällt zumeist seit Luthers Bibelausgabe von 1534.
Vor allem in Wittenberg und im mitteldeutschen Raum galt bis zur endgültigen Bibelrevision 1892 durch die von Freiherr von Canstein 1734 gegründete Bibelgesellschaft der Text Luthers als sakrosankt. Allenfalls Glossen und Kommentare konnten erklärend hinzugefügt werden. Ähnlich verfuhr man hier mit den Abbildungen. Bibeln und andere theologische Texte wurden auch nach der letzten, von Luther autorisierten Bibel-Ausgabe von 1545 mit Stöcken aus der Bibel von 1534 illustriert. Nach ihrer Abnutzung wurden diese reproduziert oder nachgeahmt. Charakteristisch ist die Betonung der Kreisgestalt des gerade Geschaffenen.
Über einen Abstand von mehreren Jahrzehnten erschienene Genesisdarstellungen dokumentieren diese ‚Wittenberger‘ Tradition: Bereits 1527 wurde in Wittenberg ein Genesiskommentar Luthers gedruckt. Die beigefügte Schöpfungsdarstellung mag ein Bindeglied zwischen der Genesisillustration bei Anton Koberger, von dessen Bibel Luther ein Exemplar besessen haben soll, und der vom Reformator beeinflussten Abbildung (1534 ff.) sein. – In einem Wittenberger „Betbüchlein“ Luthers von 1549 druckte Hans Lufft einen Holzschnitt, der sich mit der Überhöhung Gottes durch eine bildgroße Schöpfergestalt, welche die Weltkugel dynamisch vor sich her zu rollen scheint, eng an die Komposition der Zainer-Bibel (Augsburg 1477) anlehnt. – Die Übernahme nicht nur des Aufbaus, sondern einer ganzen Vorlage, veranschaulicht ein in Leipzig gedrucktes Gebet- und Gesangbuch, das mit seiner durchgängigen Rahmengestaltung mit biblischen Motiven und zahlreichen Holzschnitten prächtig ausgestattet ist. Die „Dancksagung für die Schöpffung“ wird von einem Holzschnitt illustriert, der seitenverkehrt der „Deutsch-Lateinischen Bibel“ von 1565 (vgl. Vitrine 7) nachgeschnitten ist.
Später enthält eine Katechismusausgabe des Theologen Johannes Brenz (1499-1570) aus dem Jahr 1656 mit Illustrationen, die offensichtlich unterschiedlicher Herkunft sind, eine recht simple Genesisdarstellung. Diese tradiert nicht nur die kreisförmige Betonung der Kosmos-Darstellung, sondern zeigt auch mit dem das Geschaffene gleich einem Medaillon umfassenden Gestus Gottes eine starke Anlehnung an die Darstellung bei Luther.
Exponate Vitrine 6
6.1. Vber das Erst buch Mose / predigete / Mart. Luth. / sampt einer vnterricht / wie Moses zu leren ist. Wittemb. 1527: Rhau – (VD 16, L 6827), Signatur LBZ/BBZ T 64
6.2. Betbüchlin / mit dem Calender vnd Passional / auffs new corrigiert vnd / gemehrt. D. Mar. Luther. (Wittenberg): Hans Lufft 1549 – (VD 16, L 4110), Signatur LBZ/BBZ T 830
6.3. Geistlich Kleinod Darinnen ordentlich verfasset Christliche Gebet / Auff alle Tage in der Woche … Sampt dem gantzen Psalter des Königlichen Propheten Davids / mit kurtzen Summarien … . Mit angehengten Geistlichen Liedern Doct. Martini Lutheri … Leipzig: Groß 1589: Bärwald – (VD 16, G 986), Signatur LBZ/BBZ T 848
6.4. (Johannes Brenz:) Catechismus: Das ist Kurtzer Underricht Christlicher Lehre ... Schwäbischen Hall: Laidig 1656 - Signatur LBZ/BBZ T 445,4
Vitrine 7: Die deutsch-lateinische Bibel des Kurfürsten August von Sachsen. Ein Geschenk des überzeugten Lutheraners und Arbeitgebers Jacob Krauses, des berühmtesten Buchbinders der Renaissance.
Zu den schönsten Stücken der Ausstellung gehört eine zehnbändige deutsch-lateinische Bibel, die im Jahr 1565 in der Wittenberger Offizin Johann Schwertels gedruckt wurde. Aus der Vorrede des Theologen Paul Eber, der die Aufgabe hatte, „die Teutsche Version Lutheri ... der allten Lateinischen / die bisher in Kirchen und Schulen gebreuchlich gewesen ist“, der Vulgata, gegenüberzustellen, wird berichtet, dass der Auftraggeber, Kurfürst August von Sachsen (1526-1586), das Unternehmen mit 2.000 Gulden finanziert hat. Die zweisprachige Bibel hatte ganz im Sinne Luthers sowohl eine theologische als auch eine didaktische Funktion: Sie sollte dem Kurprinzen Alexander (1554-1565) zur „vbung der Lateinischen Sprach / vnd durchlesung der Bibel … dienlich sein“.
Es ist davon auszugehen, dass auch Pfalzgraf Karl, schon als er sich zur Ausbildung am kurfürstlichen Hof aufhielt, ein Exemplar dieser Bibel zur Festigung seines Glaubens, wie auch der Vervollkommnung seiner Sprachkenntnisse diente. In seiner Bibliothek befindet sich eine Ausgabe dieser Bibel, die er laut seiner handschriftlichen Schilderung auf dem Spiegel des Einbandes 1585 von der ihm „mütterlich verbundenen“ Kurfürstin geschenkt bekam.
Die braunen Kalbslederbände mit üppigen Goldornamenten stammen aus der Werkstatt des berühmtesten Buchbinders der Renaissance, dem Dresdner Hofbuchbinder Jakob Krause. Sie vereinen durch ihr Erscheinungsbild fürstliches Repräsentationsbedürfnis mit dem Ausdruck höchster Wertschätzung für den Inhalt. Die Supralibros, die Wappen des kurfürstlichen Paares, ihre Initialen und das Bindedatum 1570 liefern Informationen zu den Entstehungsbedingungen. Einen Eindruck vom Initiator des Unternehmens liefert mit dem Brustbild des Kurfürsten das Porträtsupralibros auf dem Zusatzband. – Die Vorderschnitte der Bände zeigen Wappen kaiserlicher und kurfürstlicher Territorien, auch Kopf- und Fußschnitte sind im Goldschnittverfahren reich dekoriert.
Die Illustrationen der Bände lehnen sich in typisch Wittenberger Art eng an die Vorlage der Luther-Bibel von 1534 an. – Die wenig breiter als eine Spalte großen Holzschnitte werden rechts und links durch manierierte Leisten im Renaissancestil betont.
In Wittenberger Tradition entspricht die Darstellung der gerade vollendeten Schöpfung in ihrer Komposition, die den Kreis betont, jener in der durch Luther beeinflussten Gesamtbibel, allerdings ist sie weniger detailreich. Neben der Einbettung des Kosmos in einen Raum mit personalisierten Darstellungen der vier Winde Boreas, Euros, Notos, Zephyros erhält die Abbildung eine gegenüber dem Original zusätzliche Dynamik durch die nicht mittige Positionierung der alten Gottvater-Gestalt außerhalb der Erde. Der von ihm auf die Erde übergehende Strahl, der in einer späteren Bibelausgabe Schwertels (1581) erklärend die Aufschrift „FIAT“ trägt, enthält hier mit einer kleinen, ein Kreuz tragenden Gestalt die Bezugnahme auf die Offenbarung. In diesem Fall ist das Zweibrücker Exemplar ein Beispiel für die großen Auswirkungen von Kolorierungen. Erst im Vergleich mit dem nicht bearbeiteten Holzschnitt erschließt sich dem Betrachtenden dieses wichtige Detail.
Exponate Vitrine 7
7.1. Biblia Germanicolatina. Uff Churfürstlichen Sächsischen Befehl gedruckt zu Wittenberg. Cum Gratia & Privilegio. Anno M.D.LXV., Wittenberg: Johann Schwertel 1565-66 – (VD 16, B 2673), Signatur LBZ/BBZ T 702, 1-10
7.2. Monotessaron Historiae Evangelicae, Latinogermanicvm. Editvm Vvittebergae mandato & sumptibus Illustrißimi Ducis Saxoniae Avgvsti Electoris, etc. Anno M.D.LXVI., Wittenberg: Johann Schwertel, 1566 – (VD 16, B 4650), Signatur LBZ/BBZ T 702, 11
Vitrine 8: Die Bibeln der Künstler in der ‚Frankfurter Schule‘. Das Paradies als Dramatisierung des theatrum mundi, Exotik und naturnahe Darstellungen in der Schöpfungsszene.
Nicht nur Wittenberger Drucke der Bibel enthält die Sammlung des Pfalzgrafen Karl und seiner Erben, sondern auch zahlreiche Ausgaben aus der Offizin „Feyerabend“ in Frankfurt. Diese hatte wesentlich zum Ansehen der Stadt als Druckort beigetragen und entwickelte sich zur ernstzunehmenden Konkurrenz für die mitteldeutschen Drucker. Eindeutig ist daher die Kritik Christoph Walthers, Korrektor in der Druckerei Hans Luffts, auf solche Bibelausgaben zu beziehen, die weniger die exegetische Funktion der Illustrationen in den Vordergrund stellten als das interpretierende Schaffen bekannter Künstler: Luther „ … wolt nicht leiden / das man vberley vnd vnnütz ding / das zum Text nicht dienet / solt dazu schmieren …“ (Vom underscheid der Deudschen Biblien … Wittemberg 1563, fol. B ijv).
Während sich die Illustrationen in diesen Bibeln zunehmend von Luthers Vorbild hinsichtlich der Gestaltung, nicht allerdings vom vorgegebenen Motiv, entfernen, wird laut dem Vorwort der Bibelausgabe 1560 „Wort für wort … trewlich nachgevolgt“. Diesbezüglich allerdings beklagt Christoph Walther die vielen Fehler der Nachdrucke, welche „die Schrifft dunckel vnd vnuerstendlich“ machen.
Der erste Bibeldruck des Verlages Sigmund Feyerabend und Nachfolger war die gezeigte Bibel von 1560, dem in kurzer Folge so viele Ausgaben folgten, dass Kurfürst August von Sachsen 1564 den Verkauf Frankfurter Bibeln zum Schutz der Wittenberger Drucker auf der Leipziger Buchmesse untersagte. – 1560 gewann Feyerabend den renommierten Nürnberger Künstler Virgil Solis erstmalig zur Illustration einer Bibel mit einer einheitlichen Bilderfolge, die 1563 in einer ‚Historienbibel‘ veröffentlicht wurde. Seine relativ kleinen Holzschnitte mit opulenten Renaissance-Rahmen trifft Walthers Kritik der „leisten vmb die Figuren“ mit „viel Narrenwerck / Puppenwerck vnd Teufels werck“, auch „nerrische fantasey / von Teuflischen angesichten“ (Von unterscheid … fol. B ijv).
Zu dieser Verurteilung trug die neue Wertigkeit der Illustration bei, die nun in der Relation zum Text ein immer größeres Gewicht bekam. Gleich der in unterschiedlichen Werken abgedruckten Schöpfungsdarstellung in Ovids „Metamorphosen“ von Virgil Solis zeigt auch jene in der Feyerabend-Bibel neben allen wesentlichen Elementen des Genesistextes noch die traditionelle Kreissymbolik zur Betonung der Position der transzendenten Gottvatergestalt. Zunehmend jedoch tritt das Zentrale des göttlichen Schöpfungsaktes in den Bildern in den Hintergrund und wird durch eine überbordende Darstellung des Erschaffenen selbst ersetzt. Exemplarisch hierfür sind die Feyerabend-Bibeln, deren Holzschnitte seit 1564 Jost Amman nach Zeichnungen Johann Bocksbergers des Jüngeren schnitt. Vorrang hat nun, detailliert all das möglichst naturgetreu darzustellen, was in Flora und Fauna damals bekannt war. In solchen Wimmelbildern bietet die Schöpfungsgeschichte eine Gelegenheit, exotisches Weltwissen der Zeit zu verbildlichen
Exponate Vitrine 8
8.1. Biblia, Das ist Die gantze Heylige Schrifft / Teutsch. D. Mart. Luth. … Franckfurt am Main 1560: Feyerabend – Signatur LBZ/BBZ T 5 A, 1
8.2. Iohan. Posthii Germershemii Tetrasticha in Ovidii Metam. Lib. XV. Quibus accesserunt Vergilij Solis figurae elegantiss. … , Francofurti: Georgius Corvinius, Sigmundus Feyerabend, Weigand Gallus 1569 – Signatur LBZ/BBZ K 20
8.3. Biblia, Das ist: Die gantze Heylige Schrifft, Teutsch D. Mart. Luth. Franckfurt a. M.: Johann Feyerabend 1580, Titelblatt fehlt – (VD 16, B 2791), Signatur LBZ/BBZ T 6 A
Vitrine 9: Popularisierung des Lutherwortes in Hausbibeln. Künstlerische Illustrationen wirken durch Ästhetik und Weltwissen.
1583 schrieb der Drucker Johann Feyerabend im Vorwort seiner neuen Bibel über die große Nachfrage nach Luthers Bibelübersetzung, dass „dieselben Exemplar nicht allein nicht ligen bleiben / sondern auch nicht in genugsamer anzahl können auffgelegt / vnd zum kauff vnd brauch verfertigt werden“. – Der Buchschmuck dient nach dem Vorwort der Ausgabe 1580 nun dazu „ … sonderlich dem gemeinen Mann und der lieben Jugend / die Historien desto eigentlicher und verständiger für die Augen zu stellen“. Die Lutherbibel ist damit offensichtlich das geworden, was der Reformator anstrebte, nämlich Erbauungs- und Lesebuch zugleich, die zentrale Lektüre protestantischer Familien.
Die Bibliotheca Bipontina besitzt ein Exemplar der sehr seltenen Bibel aus der Offizin Feyerabend, in welcher einige wenige eigene Werke des Züricher Jost Amman mit seinen Gemeinschaftsillustrationen mit Johann Bocksberger kombiniert sind. Philipp Schmidt zählt die vorangestellte großformatige Abbildung mit der Zusammenfassung des ersten Buch Mose „zum Schönsten … was jene Epoche des späten Holzschnittes hervorgebracht hat“ (1977, S. 263). Die hier „verwirrende Beladung“, die sich weit von der schlichten, rein theologisch orientierten Darstellung der Wittenberger Bibel entfernt hat, entspricht den neuen Sehgewohnheiten.
Die Illustrationen dieses ‚Hausbuches‘ erzählen biblische Geschichte entsprechend der Auffassung des Künstlers nach, zeigen den Betrachtenden all das, was interessant und neu ist, informieren und emotionalisieren. Das nun mit Vorliebe exotische Bestiarium wird bei Amman sogar im nicht mehr paradiesischen Beieinander, sondern nach dem Sündenfall im wilden Kampf gezeigt. Aus bildkompositorischen Gründen ist Gottvater, noch in menschlicher Gestalt, ein Teil der polyszenischen Darstellung, jedoch in seiner Transzendenz getrennt durch ein kreisförmiges Wolkenband. Bei der folgenden Illustration des fünften Schöpfungstages abstrahiert Amman bereits. Die Schöpfergestalt wird durch die hebräische Nennung seines Namens in der Aureole ersetzt, der Schöpfungsprozess durch das göttliche Wort „FIAT“ (Es werde!) verdeutlicht. Auch beide Bilder Ammans sind Ausdruck der gesamten Renaissance-Gelehrsamkeit. Den Zeitgenossen des Künstlers wurden damals durch die Symbolik der Details Zusatzinformationen vermittelt, die sich dem heutigen Betrachter nur noch zum Teil erschließen.
Dies trifft auch für die Holzschnitte in den Bibeln des Verlags Endter in Nürnberg zu, welche 1670 bis 1730 erschienen und stilistisch in besonderem Maße typisch für ihre Entstehungszeit sind. Heute ist die „Endter-Bibel“, wegen ihrer Porträts der sächsischen–ernestinischen Fürsten auch „Kurfürsten-Bibel“ genannt, wegen ihrer hohen Auflage, die wohl noch am häufigsten erhaltene Luther-Bibel des 16. bis 17. Jahrhunderts. Dem Bibeltext vorangestellt ist nicht nur eine zehnseitige Vita Martin Luthers, sondern auch Porträt-Medaillons von ihm, seiner Frau, der Tochter Magdalena sowie seiner Eltern.
Der nur wenig über eine Spalte große Holzschnitt des nicht identifizierbaren Monogrammisten „VW“ zeigt wieder das Schöpfungswerk des fünften Tages mit Sonne, Mond, den Planeten, Wasser, Erde sowie, sehr detailreich, Flora und Fauna. Die Abbildung dominieren rechts und links Bär und Löwe, mitunter als Symbole der Auferstehung gedeutet. Der Bär, der auch für das Böse stehen kann, hält einen Ball, bzw. die (Welt-)Kugel. Eine kreisförmige Wolke darüber trennt das Geschaffene vom Schöpfer, der durch den Schriftzug „Jehova“ im für die Trinität stehenden Dreieck symbolisiert wird. Diese Abstraktion Gottes wird im Bereich des Wassers und in der Sphäre des Himmels wiederholt. – Eine Ergänzung erfährt diese Abbildung durch eine abgesetzte Kopfvignette. Drei Engelsfiguren, von denen eine die Welten-Kugel umfasst, über der das von Strahlen umgebene Dreieck mit dem Schriftzug „Es werde“ steht, werden von Sonne und Mond eingerahmt.
Exponate Vitrine 9
9.1. Biblia, Das ist: Die gantze Heylige Schrifft / Teutsch. Doct. Mart. Luth. Jetzundt von neuwem / nach der letzten Edition / so D. Mart. Luth. vor seinem End selbst durchlesen / mit sonderm fleiß corrigiert : ... mit nützlichen Summarien … durch … Petrum Patientem … Auch mit schönen Figuren gezieret., Franckfort am Mayn 1583: Joh. Feyerabend – (VD 16, B 2798), Signatur LBZ/BBZ T 7 A, 1
9.2. Biblia, Das ist: Die gantze Heilige Schrifft deß Alten und Neuen Testaments. Wie solche von Herrn Doctor Martin Luther Seel. Im Jahr Christi 1522. in unsere Teutsche Mutter-Sprach zu übersetzen angefangen Anno1534 zu End gebracht … Mit den Summarien Herrn Johann Sauberti Seel. auch … Herrn D. Salomon Classens Seel. außgefertiget … mit schönen Kupffern und Figuren … Samt einer Vorrede Herrn Johann Michael Dilherrns …, Nürnberg: Johann Andreä Endters seel. Sohn und Erben 1706 – Signatur LBZ/BBZ T 11 A
Vitrine 10: Humanisierung Gottes. Eine menschlich dargestellte Gottesgestalt und die Schöpfung.
Sehr unterschiedliche Genesisabbildungen illustrieren den in vielen Exponaten beobachtbaren Darstellungsstrang, Gottvater als sehr menschliches Wesen zu zeigen. Dabei sind nicht nur die individuellen Personendarstellungen, sondern auch die Accessoires wie die Kleidung durchaus der Entstehungs-zeit entsprechend gestaltet. Die Beispiele kommen neben Summarien, einer Katechismus-Auslegung und einer prächtigen französischen Ovid-Ausgabe auch aus einer vierbändigen calvinistischen Bibel, die aus dem Gründungsbestand der Bibliothek stammt. Die Achtung vor dem Inhalt wird hier durch einen wertvollen Einband mit Lackmalerei und aufwändiger, punzierter Goldschnittverzierung deutlich. Die meisten Darstellungen der Illustrierung des ersten Schöpfungsberichts zeigen Gott in einer Aureole, transzendent von dem Geschaffenen abgehoben. Werden erster und zweiter Schöpfungsbericht in einem Bild kombiniert, so tritt die Gottesgestalt, dem Bibeltext folgend, zunehmend in seine Schöpfung, den Garten Eden, ein. Die Gestik wechselt von der den Kosmos segnenden oder umfassenden in eine dem Geschöpften intensiv zugewandte Haltung. Zur Erhöhung der Gottesgestalt wird diese nun oft statt in der Aureole mit einer Krone gezeigt. Die kosmologische Bedeutung des Schöpfungswerkes wird dabei durch die Abbildung von Sonne, Mond und den Planeten betont.
Gemäß dem Vorbild in der Lufft-Bibel überwiegt die Humanisierung Gottes als würdiger Greis. Aber auch Beispiele der auf Christus bezogenen jugendlichen Gottesgestalt kommen durchaus vor. – Im Gegensatz zu älteren Illustrationen unterstreicht die dargestellte Bewegung der Gottesgestalt zunehmend die Dynamik des Schöpfungsaktes.
Exponate Vitrine 10
10.1. La Sainte Bible, Lvon 1553: Jean De Tovrnes – Signatur LBZ/BBZ nT 709
10.2. Auslegung des Glaubens / welcher das Symbolum Apostolicum genandt wird. Den einfeltgen Pfarherrn vnd allen Hausuetern zu dienste in zwentzig Predigt verfasset Durch D. Georg: Maior. Mit einer newen Vorrede … Auch des Caspars Schwenckefelds jrthumb vom mündlichen wort Gottes verworffen wird, Wittemberg 1559: Peter Seitz – Signatur LBZ/BBZ T 296,1
10.3. Summaria Uber die gantze Bibel. Darinn … angezeigt / was dem gemeinen Mann / aus allen Capiteln / am nöthigsten zu wissen ist. Durch M. Vitum Dieterich / weyland Prediger zu Nürnberg gestellet. … auffs new gedruckt, Jhena: Tobias Steinmann 1594 – (VD 16, D 1658), Signatur LBZ/BBZ T 728
10.4. Les Metamorphoses d'Ovide, divisées en XV. livres. Auec de nouuelles Explications Historiques, Morales & Politiques … Enrichies de Figures. Et nouuellement traduites par Pierre Dv-Ryer …, Paris: Antoine De Sommaville 1660 – Signatur LBZ/BBZ L 7 A
Vitrine 11: Gott ist das Wort. Die Entpersonalisierung der Gottesdarstellung in Kupferstich-Bibeln
Erst zögerlich ersetzen seit dem 17. Jahrhundert die Bibelillustratoren die vermenschlichte Gottesdarstellung durch das Tetragramm, den alttestamentarischen Gottesnamen „JHWH“ in hebräischer Schrift. Nicht nur das erste Gebot, sondern auch die Einsicht, dass die Unfassbarkeit Gottes durch ein Abbild der menschlichen Natur nicht darzustellen ist, führte zu dieser Entpersonalisierung. Vorbild waren calvinistische theologische Schriften. Eine Amsterdamer Bilderbibel aus dem Jahr 1670, welche die biblische Geschichte, kurz nur erklärt durch eine einzeilige Unterschrift, in kleinen Kupferstichen abbildet, steht beispielhaft hierfür. – Das Genre der ‚Bilderbibel‘ war im 17. Jahrhundert eine Möglichkeit, leseunkundigem Publikum Zugang zur Bibel zu verschaffen. Im Albumformat erschienen zahlreiche solcher Illustrationszyklen auch von namhaften Holzschnitt-Künstlern wie Virgil Solis oder Jost Amman. Die biblischen Bilderfolgen waren von einem Motto und einer deutschen und meist lateinischen kurzen, oft gereimten Unterschrift umgeben und wurden häufig in Vollbibeln wiederverwendet.
Auch in Kupferstich-Bibeln des Frankfurter Druckers Christoph Wust erfolgt die Entpersonalisierung Gottes in den ersten Bildmedaillons zur Genesis. – Die Produktion der Druckerdynastie Wust war so hoch, dass Ph. Schmidt, negativ konnotiert, eine „Ver-Wustung“ des Bibelmarktes beschreibt, die sowohl für die Holzschnitt- als auch die Kupferstich-Bibeln der Offizin gilt, die für ihre Ausgaben Bibelillustrationen unterschiedlichster Herkunft oft nur nachschneiden ließ. Wust selbst schildert im Vorwort der 1665er Ausgabe, dass seine „liebe(n) Voreltern ... in die dreyhundert tausend Bibeln Lutheri / über die zwantzigerley Arten / Schriften und Formaten verlegt“ hätten. Er begründet die Notwendigkeit der (Wieder-)Beschaffung von Bibeln mit den im Dreißigjährigen Krieg entstandenen Verlusten.
Die Texte der Wust-Bibeln richteten sich nach den Maßgaben der theologischen Fakultät in Wittenberg. Die sächsischen Herrscher, die, gleich Luther, durch Porträts gewürdigt wurden, hatten dem Druckhaus ein besonderes Privileg erteilt. Verlangt wurde, dass auch in Frankfurt gedruckte Bibeln lange noch den Druckort Wittenberg tragen mussten.
Um den technischen Problemen bei der Kombination von Hochdruck (Text) und Tiefdruck (Abbildung) zu begegnen, setzte sich auch in Kupferstich-Bibeln die Praxis durch, ganzseitige Illustrationen in den Text einzufügen. Wust begrenzte zusätzlich die Zahl der Abbildungen durch eine zusammenfassende bildliche Inhaltsangabe, die einzelne Bibelmotive, ähnlich einer Graphic Novel, in Medaillons zusammenfügt und in unterschiedlichen Ausgaben gleich welchen Formats wiederholt. Die Bibliotheca Bipontina besitzt zwei solcher Bibelausgaben, von denen in der Tradition seines Vorfahren, Pfalzgraf Karl, Herzog Christian III. (1704-1735) eines signiert hat.
Exponate Vitrine 11
11.1. Biblia, Das ist / Die gantze Heilige Schrifft / Alten und Neuen Testaments / Deutsch / D. Mart. Luth. Sampt D. Hutteri Summarien … mit dem Exemplar / so zuerst nach Lutheri Sel. Todt / im Jahr Christi 1546 in Wittenberg gedrucket / jetzo mit allem Fleiß auffs neue conferiret von der Theologischen Facultät zu Wittenberg …, Wittenberg: Balthasar Christoph Wust in Franckfurt am Mayn 1665 – Signatur LBZ/BBZ nT 10 A
11.2. Biblia, Das ist / Die gantze H. Schrifft / Alten und Neuen Testaments / Verdeutscht durch Doctor Martin Luther. Mit Doct. Hütteri Summarien … mit dem Exemplar / so zuerst nach Lutheri sel. Tod / im Jahr Christi 1546 in Wittenberg gedruckt / mit grossem Fleiß durchsehen …, Wittenberg: Balthasar Christoph Wust 1700 – Signatur LBZ/BBZ T 126 B
11.3. de Voornaamste Bybelsche Historien des Oude Testaments Cierlyck in't Koper gemaackt door Cornelis Danckerts. Amsterdam: (um 1670) Iustus Danckerts –
Signatur LBZ/BBZ K 18
Vitrine 12: Frühe wissenschaftliche Erklärungsansätze zur Schöpfungsgeschichte
Zunehmend fand nach dem Dreißigjährigen Krieg eine Überschneidung von biblischer Erzählung und Wissenschaft statt. Bibeln wurden mehr und mehr durch allgemeine wissenschaftliche Erklärungen erweitert, während wissenschaftliche Werke umgekehrt ihre Legitimation aus der Bibel bezogen und sich zur Absicherung ihrer Erkenntnisse auf diese beriefen, denn die Authentizität des Bibeltextes stand außer Zweifel. Eine neue Form der Bibelrezeption entstand: Die Bibel galt nicht nur als theologisches Buch, sondern als Geschichtsbuch, das auch von Nicht-Theologen wörtlich genommen wurde. – In den oftmals von berühmten Künstlern reich illustrierten Werken des Barockzeitalters fanden so zunehmend auch biblische Motive Eingang in wissenschaftliche Werke. Man verstand nun die Welt als eine Art Maschine, die nach festen Regeln funktionierte, zu denen die Bibel den Schlüssel liefern konnte.
Beispielhaft steht hier Johann Ludwig Gottfrieds Geschichtschronik mit Kupferstichen von Matthäus Merian, in der Geschichtsdarstellungen und Bibeltext eng verwoben sind. Keinerlei Zweifel bestand für den Autor an der Wahrhaftigkeit der Erschaffung der Welt allein durch Gott, denn „Welcher Anfang ... sollte wol besser und sicherer sein / dann nur in dem Allerheiligsten Nahmen deß Allmächtigen Schöpffers Himmels und der Erden, deß Allerweisesten Schaffers und Erhalters aller sichtbaren und unsichtbaren Creaturen?“ (Chronica S. 1). Im Text wie auch in den entsprechenden Kupferstichen wird das ganze Wissen der Zeit zur Bestätigung des Bibeltextes herangezogen. Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung zur Schöpfung des ersten Tages. Merian unterstreicht hier die Urkraft Gottes, der als Tetragramm in einer Aureole präsent ist, durch eine besondere Dymamik der Darstellung, die so einen ‚explosionsartigen‘ Vorgang bei der Erschaffung der in den Wolken schwebenden Weltkugel vermittelt.
Bewusst wählte der Züricher Professor Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) in seiner „Kupferbibel“ oder „Physica Sacra“ solche Stellen aus der Bibel aus, die, wie die Genesis, auf naturwissenschaftliche Phänomene Bezug nehmen. Diese erklärt er in Text und Bild und zeigt mit seiner naturkundlichen Bibelforschung, dass barocke wissenschaftliche Erkenntnisse mit biblischen Aussagen über Naturvorgänge durchaus übereinstimmen. So ist beispielsweise die Darstellung zum sechsten Schöpfungstag, die Abbildung des eben erschaffenen Menschen, der in der idyllischen Szenerie des Paradieses gezeigt wird, von einem Rahmen umgeben, welcher all das Wissen reproduziert, das im 18. Jahrhundert über die Entwicklung eines Fötus existierte. Scheuchzer führt die Betrachtenden zu den ‚Realien‘ eines der beliebten Naturalienkabinette mit all seinen Präparaten.
Exponate Vitrine 12
12.1. Joh. Ludov. Gottfridi Historische Chronica, Oder Beschreibung der Fürnemsten Geschichten / so sich von Anfang der Welt / biß auff das Jahr Christi 1619 zugetragen … Mit vielen schönen Contrafaicturen und Geschichtmässigen Kupffer-Stücken / zur Lust und Anweisung der Historien / gezieret … durch Weiland Matthaeum Merianum Seel., Frankfurt: Merian Erben 1674 – Signatur LBZ/BBZ G 18 B
12.2. Berühmte Bilder zur Menschheitsgeschichte aus Johann Jakob Scheuchzers Physica Sacra (Reprint der Ausgabe: Augsburg u. Ulm: Wagner 1731). 110 Kupfertafeln ausgewählt und erläutert von Hans Krauss. Konstanz: Universitätsverlag 1984 – Signatur LBZ/PLB 1b 1404
Vitrine 13: Kartographie und Bibel. Die Schöpfung wird real und mit dem Wissen der Zeit identifiziert.
Die Vielfalt von Atlanten, Länder- und Städtebeschreibungen, die im 17. und 18. Jahrhundert erschienen sind, dokumentiert nicht nur das sich stetig erweiternde Weltbild, sondern auch die Lust des barocken Menschen, sich das neu Entdeckte, wenn schon nicht in der Realität, so doch in der Phantasie zu erschließen. Karten, welche die Ausdehnung der Schöpfung beschreiben und auch die biblische Geschichte geographisch nachvollziehbar werden lassen, sind häufig auch in solchen zumeist reformierten Bibeln abgedruckt, die sonst höchstens archäologische Illustrationen des Bibeltextes enthalten. – Der Text selbst wird hier in Luthers Version zwar wortgetreu übernommen, zunehmend jedoch werden erklärende Glossen und längere Abhandlungen mit kritischen Kommentaren wichtig, welche den Text gemäß der jeweiligen theologischen Überzeugung deuten.
Für Luther ist mit der Sintflut das Paradies – wie es in der Genesis beschrieben und in der „Lufft-Bibel‘ abgebildet wird – für die Menschen zerstört, verloren und nicht lokalisierbar. Deshalb existieren in Lutherbibeln keine der bereits im Mittelalter häufigen Kartenabbildungen. – Calvin glaubte trotz der Zerstörungen durch die Sintflut an Reste eines irdischen Paradieses, die Beweise der fortwährenden Zuwendung Gottes gegenüber seiner Schöpfung sind. Zu solchen paradiesischen Regionen gehört das Zweistromland, das immer wieder auf Karten gezeigt wird. Die Heidelberger Bibel (1617) des reformierten Theologen Paul Tossanus enthält eine Karte des ‚Paradieses‘. Während hier allein dessen Geographie im Vordergrund steht, liegt der Fokus in der bei Mangold erschienenen späteren Ausgabe besonders auf der Einbettung dieses „Lusthofs“ in den weiten Kontext der „Länderen der Patriarchen“. Zu dem auf der Karte mit dem ersten Menschenpaar gekennzeichneten Garten Eden wird zusätzlich von Tossanus die wissenschaftliche Diskussion um die Lage des Paradieses in einem Kommentar mit dem Bibeltext verglichen. In mittelalterlicher Tradition wird das Paradies hier zum realen Ort und steht damit im Gegensatz zu einer rein symbolischen späteren Deutung.
Eine genaue Lokalisierung des Paradieses enthält auch ein reich bebildertes calvinistisches Werk aus Amsterdam (1700). Der Band ist laut Vorwort in der Absicht entstanden, auch jenen die biblische Geschichte näher zu bringen, denen der Bibeltext, der auch hier durchaus in seiner Historizität als wahrhaftig verstanden wird, zu lang oder in seinen Handlungssträngen zu verwoben erscheint. Einzelne, kurz nacherzählte biblische Episoden werden mit eindrucksvollen Kupferstichen unterschiedlicher Künstler, koordiniert von David van der Plaets, visuell vertieft. Pädagogische Prinzipien der Aufklärung werden mit diesem Band deutlich. Er wurde 1711 handsigniert und stammt aus der fürstlichen Pfalz-Birkenfelder Bibliothek. – Eine beindruckende künstlerische Kuperstich-Rezeption zum ersten Schöpfungstag mit der Betonung der Vollkommenheit des Kreises schafft in diesem Band eine Verbindung zur Abbildung von Himmels- und Weltgloben mit ihrer streng wissenschaftlichen Kartographie. – Im Gegensatz zum erstgenannten Beispiel werden Adam und Eva nun in der Karte „du Paradis Terrestre“ als aus dem Paradies gerade Vertriebene gezeigt.
Exponate Vitrine 13
13.1. Biblia, Das ist: Die gantze heilige Schrifft / Durch D. Martin Luther verteutscht. Mit D. Pauli Tossani hiebevor aussgangnen Glossen und Ausslegungen … auch … auß anderer Theologorum besten Annotationen … vermehret worden / dadurch der Text / wo er etwas dunckel und schwer / nutzlich erläutert und erkläret: auch H. D. Lutheri Version … den Vrsprünglichen Sprachen … entgegen gehalten wird. … Basel: Caspar Mangoldt 1665: Jacob Bertsche – Signatur LBZ/BBZ T 10 A
13.2. Histoire du Vieux et du Nouveau Testament, Enrichie de plus de quatre cens Figures en Taille-Douce … Avec Privilege de nos Seigneurs les Etats de Hollande et de West-Frise … (Übers.: David Martin). Amsterdam: Pierre Mortier 1700 – Signatur LBZ/BBZ T 14 A, 1
Vitrine 14: Die ‚Lufft-Bibel‘: Martin Luthers Gesamtausgabe aller biblischen Bücher in seiner Übersetzung
1585, im Jahr seiner Volljährigkeit, wurde die Büchersammlung des Pfalzgrafen Karl von Pfalz-Birkenfeld um ein besonders wertvolles Stück erweitert, die Übersetzung der Gesamtbibel von Martin Luther aus dem Jahr 1543, die aus der Offizin des Wittenberger Druckers Hans Lufft stammt.
Seit der Erstausgabe von 1534 druckte Lufft verschiedenste Auflagen der Lutherbibel gemäß den Revisionen des Reformators und seiner Mitarbeiter, unter anderem auch die Ausgabe letzter Hand von 1545, deren Text für Jahrhunderte als unantastbar galt. – Die reiche Bebilderung vor allem des Alten Testaments und der Apokalypse sind Holzschnitte eines bis heute nicht identifizierten Monogrammisten „MS“ aus dem Umfeld Lucas Cranachs. Sie zeichnen sich durch besondere Lebendigkeit und Raumtiefe, durch eine Schraffur mit verschiedenen Graustufen der zumeist polyszenischen Darstellungen aus. – Über den wesentlichen Einfluss Luthers auf die Bebilderung berichtet Christoph Walther 1563, der Reformator habe „die Figuren in der Wittenbergischen Biblia zum teil selber angegeben / wie man sie hat sollen reissen oder malen / Vnd hat befohlen / das man auffs einfeltigst den inhalt des Textes solt abmalen vnd reissen“ (Vom unterscheid … fol. B ij v, r). Nicht der Buchschmuck war damit die Aufgabe der nüchternen, klaren Bilder, sondern die Interpretation des Textes, die unter theologischer Anleitung erfolgte. Die vom Reformator bestimmten Motive, die den Bibeltext auslegen und ergänzen, wurden trotz stilistischer Varietät für lange Zeit traditionsbildend.
Zu den schönsten jemals erschienenen Bebilderungen der Genesis gehört die ganzseitige Darstellung des Schöpfungsaktes, bei der im Zweibrücker Exemplar durch eine Kolorierung mit kräftigen Deckfarben die Bedeutung des Dargestellten zusätzlich betont und das Exemplar zum Unikat wird. – Die Komposition des Bildes steht in der Tradition jenes der Kölner Bibel (1478) und dem hiervon beeinflussten Holzschnitt in der Inkunabel-Bibel von Koberger (1483). – Entgegen der Schöpfungsdarstellung der Schedelschen Weltchronik und mancher Adaption in mittelalterlichen Handschriften werden in der ‚Lufft-Bibel‘ nicht die einzelnen Phasen des Sechstagewerks abgebildet. Die greisenhaft gezeichnete, transzendente Gottvatergestalt umfasst stattdessen, schöpfend und segnend zugleich, den soeben geschaffenen Kosmos, gezeigt in der vom Altertum tradierten Kugelform. – Der Kreis als Symbol der höchsten Vollendung bestimmt die Komposition der Darstellung. Die Sphäre Gottes betont der mit mehreren Kreisen verstärkte Nimbus. Verbindende Elemente zu der hiervon abgesetzten kreisförmigen Schöpfung sind die Hände und der Faltenwurf des Gewandes Gottes, welche diese umfassen. – Die Ergebnisse der einzelnen Schöpfungsphasen sind alle in dieser von Luther autorisierten Genesisdarstellung präsent, jedoch auf das Wesentliche beschränkt. Gezeigt ist eine sich über die ganze Erde erstreckende ideale Landschaft. Die Erschaffung von Flora und Fauna ist durch beispielgebende, durchaus auch exotische Stellvertreter zitiert. Dabei verweisen Ochse und Esel auf die Geburt Christi. Das Wollust symbolisierende Kaninchen und die aufgerichtete Schlange vor Adam und Eva deuten bereits den Sündenfall an. Das Paradies wird dominiert von den vier Flüssen Pison, Gihon, Tigris und Euphrat. Die Sphäre der himmlischen Wasser mit Seeungeheuern umgibt es kreisförmig. Sorgfältig wird die Sphäre des Himmels mit Planeten und Fixsternen sowie Sonne und Mond, die sich gegenüber stehen und in mittelalterlicher Tradition Gott zugewandt sind, dargestellt. – Die Schöpfergestalt selbst ist detailreich angelegt. Der Faltenwurf ihres prächtigen Umhanges und die Feuerkreise um das Haupt vermitteln einen Vorgang größter Dynamik. Die üppige Goldkolorierung des Zweibrücker Exemplars erhöht die Gottesgestalt.
Wenngleich 1534 in Wittenberg durchaus bereits neue kosmologische Erkenntnisse bekannt waren, zeigt diese Lutherbibel, streng an der Verbindlichkeit der Textvorlage ausgerichtet, noch die Erde als Mittelpunkt des Alls.
Exponate Vitrine 14
14.1. Biblia: Das ist: Die gantze Heilige Schrifft : Deudsch / Auffs New zugericht. D. Mart. Luth. Begnadet mit Kürfürstlicher zu Sachsen Freiheit. Wittemberg 1543: Lufft. – (VD 16, B 2715), Signatur LBZ/BBZ T 124 B, 1
Vitrinen 15-16: Kreis- und Schöpfungsdarstellungen vor Luthers erster Gesamtbibel 1534
Die Genesisabbildung in Luthers Gesamtbibel 1534 ff. ist selbst traditionsbildend, allerdings ist ihre Komposition, welche die göttliche Vollkommenheit durch den Kreis symbolisiert, nicht ohne eigene Vorbilder. Auch Handschriften-Illuminationen, die weniger als bei Luther der Bibelexegese, sondern vor allem dem repräsentativen Buchschmuck und damit der Erbauung dienen sollten, nutzen diese Symbolik. In mittelalterlicher Tradition wird hier zumeist jedem Schöpfungstag eine Abbildung gewidmet. – Diese Form der Darstellung nimmt auch eine der berühmtesten Inkunabeln, die reichillustrierte Weltchronik von Hartmann Schedel auf, die Heilsgeschichte und weltliche Geschichte seit der Entstehung der Welt direkt aufeinander bezogen schildert. Sie ist in der Zweibrücker Sammlung als deutsche und lateinische Ausgabe vorhanden. Bei der Veranschaulichung der einzelnen Schöpfungstage ist Gott durch das pars pro toto seiner Hand ersetzt. Wie weitere Adaptionen aus der Schedelschen Weltchronik in der LufftBibel zeigen, war diese im Wittenberger Kreis durchaus bekannt und mag in vereinfachter Form auch als Vorbild für die dortige Genesisillustration gedient haben. Reduziert wurden jedoch die 13 Sphären der Weltchronik zugunsten einer präzisen Darstellung der – bei Schedel mit dem Festland Gott zugewandten – Erde. Auch die den Thron Gottes umgebende Bevölkerung der Himmelssphäre fehlt.
Wegen ihrer Ähnlichkeit hinsichtlich der Bildkomposition besonders in der Genesis werden folgende deutsche Bibeln vor jener Luthers als Vorbilder genannt: Die von Günther Zainer um 1475 in Augsburg gedruckte dritte deutsche Bibel, welche die Genesisabbildung als Buchschmuck in die Initiale „I“ integriert. Erzählend und damit die Betrachtenden zur Bibellektüre anregend, sind Bilder in zwei niederdeutschen bzw. niederrheinischen Bibeln, erschienen bei Bartholomäus von Unckel und Heinrich Quentell (1478/79), deren Holzstöcke mit dem Schöpfungsbild in Anton Kobergers Bibel 1483 wiederverwendet wurden. – Wenngleich auch in der ersten Lutherbibel durch Bilder das Unbegreifliche begreifbarer gemacht wird, vermeidet deren Illustrator im Sinne einer theologischen Deutung des Textes zusätzliches Beiwerk wie die vermenschlichte Himmels-‚Bevölkerung‘ durch Engel und Selige.
Die in Zweibrücken überlieferte ‚Kölnische Chronik' von 1499 führt diese Bildtradition fort. Hier, wie auch in den meisten anderen vorlutherischen Darstellungen, erfolgt allerdings eine Fokussierung auf den zweiten Genesistext mit der medienwirksamen Erschaffung Evas, neben der in der ‚Chronik‘ auf gleicher Höhe der negativ konnotierte Hase positioniert ist. Gottvater wird mitten in seiner Schöpfung gezeigt und zwar in der Personifizierung als sehr junger Mann. – Der transzendente Gott kann, wie in der niederrheinischen Bibel, zusätzlich außerhalb seiner Schöpfung gezeigt werden. Die Macht seines schaffenden Wortes wird durch einen verbindenden Strahl vom Himmel zur Erde symbolisiert. – Eine lateinische katholische Bibel aus Lyon (1526) repräsentiert in der Zweibrücker Sammlung im Kontrast zu dem Beschriebenen eine minimalistische Bildauffassung, in der der Kreis als Symbol der Vollkommenheit nicht mehr das gesamte Schöpfungswerk prägt. Er betont nun allein die Gottesgestalt durch den kreisförmigen Nimbus. Die Fauna ist auf einige wenige einheimische Tiere mit besonderer Symbolkraft beschränkt, die Flora detailreich gezeichnet. Auffallend ist die abwechslungsreiche Gebirgslandschaft, die durch ihre Perspektive die Unendlichkeit der Schöpfung verdeutlicht.
Exponate Vitrinen 15-16
15.1. Hartmann Schedel: Chronica. Nürnberg: Anton Koberger, 12. Juli 1493 – Signatur LBZ/BBZ Inc. 24 A
15.2. Reinitzer, Heimo: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition. Braunschweig 1983 – Signatur LBZ/BBZ Thd 39
15.3. Eichenberger, Walter und Wendland, Henning: Deutsche Bibeln vor Luther. Hamburg 1977 – Signatur LBZ/BBZ Thd 83
15.4. Füssel, Stephan: Das Buch der Bücher. Die Luther-Bibel von 1534. Eine kulturhistorische Einführung. Köln, London u.a. 2002 – Signatur LBZ/BBZ BBc 124 – Einf.
15.5. Die Bibel des Matteo de Planisio. Handschrift auf Pergament, Neapel 1362 (Signatur: Vat. lat. 3550) – In: Belser Kunstkalender: Kostbarkeiten aus der Bibliotheca Apostolica Vaticana. Zürich: Belser 1990
16.1. Hartmann Schedel: Chronica. Übers. von Georg Alt. Nürnberg: Anton Koberger, 23. Dezember 1493 – Signatur LBZ/BBZ Inc. 23 A
16.2. Die Cronica van der hilliger Stat vá Coellé. Köln: Johann Koelhoff d. J., S. Bartholomaeus Abend (23. 8.) 1499 – Signatur LBZ/BBZ Inc. 11 B
16.3. Textvs bibliae. M.D.XXVI. Biblia cvm concordantiis Veteris et Novi Testamenti sacrorum canum: necnon et additionibus in marginibus varietatis diversorum textuum … Lugdun.: Iacobus Mareschal 1526 – Signatur LBZ/BBZ T 129 B
Ausgewählte Literaturhinweise
Hubert-Reichling, Sigrid: Pfalzgraf Karl I. von Pfalz-Birkenfeld und die Beständigkeit in der „reinen Lehre“ – Eine Fürstenbibliothek als Spiegel regionaler Bekenntnisfestigung im 16. Jahrhundert. In: Vestigia II, gewidmet Bernhard H. Bonkhoff dem Sechzigjährigen. Regensburg 2013, S. 143-196 – Signatur LBZ/BBZ Pf 3/768-2
Reinitzer, Heimo: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition. Braunschweig 1983 – Signatur LBZ/BBZ Thd 39
Schmidt, Philipp: Die Illustration der Lutherbibel 1522-1700. Basel 1977 – Signatur LBZ/BBZ BBZ 11570 gr
Scafi, Alessandro: Die Vermessung des Paradieses. Eine Kartographie des Himmels auf Erden. Darmstadt 2015 – Signatur LBZ/PLB 215/ 863
Schwanke, Johannes: Creatio ex nihilo. Luthers Lehre von der Schöpfung aus dem Nichts in der großen Genesisvorlesung 1535-45. Berlin u.a. 2004
Kontakt
LBZ / Bibliotheca Bipontina
Bleicherstr. 3
66482 Zweibrücken
Telefon: 06332 16403
E-Mail: Bipontina(at)lbz.rlp.de
Ausstellungskatalog
Zur Ausstellung ist eine Begleitbroschüre (pdf-Datei, 17,24 MB) erschienen.
Festvortrag
Festvortrag vom 24. August 2017: "Was sagt uns Luther über die Schöpfung?" (pdf-Datei) von Dr. Jobst Schöne, DD, Bischoff em.