Auf den Spuren von Stefan Andres - Ausstellung 2020

Schwarz-weiß-Fotografie
Stefan Andres um 1950.

Am 29. Juni 1970 starb Stefan Andres in seiner Wahlheimat in Rom. Anlässlich seines 50. Todestages erinnert das Landesbibliothekszentrum / Rheinische Landesbibliothek mit einer Ausstellung an den berühmten Schriftsteller aus dem Moselland.

Stefan Andres (1906-1970) wuchs in Schweich an der Mosel auf und lebte, nachdem er die Zeit von 1937 bis 1949 in Positano (Italien) verbracht hatte, von 1950 bis 1961 in Unkel am Rhein. Er war in den 1950er Jahren einer der meistgelesenen deutschen Autoren. Seine bekanntesten Werke sind die Novellen „ El Greco malt den Großinquisitor“ (1936) und „Wir sind Utopia“ (1942). Andres setzte sich in der Nachkriegszeit gegen die Stationierung von US-Raketen in Deutschland und gegen das Wettrüsten ein und engagierte sich für eine Verständigung zwischen Ost und West. 1961 kehrte er nach Italien zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte. Sein Grab befindet sich auf dem Campo Santo Teutonico in Rom.

Aufgrund der Corona-Krise mussten neue Formen der Präsentation gefunden werden. So wird das Thema in Form einer Plakatausstellung an den Fenstern der Rheinischen Landesbibliothek und virtuell im Netz präsentiert.

Die Abbildungen stellte das Stefan-Andres-Archiv in Schweich zur Verfügung, in dem sich ein beachtlicher Fundus an Dokumenten zum Leben und zum Werk des Schriftstellers befindet.

"Zwischen diesen Weinaposteln, Wachträumern, Systemspinnern, diesen Schmetterlingsjägern und einfach in ewigem Sonnenstich dahindösenden internationalen Müßiggängern saßen Leute, die aus der zu Zentrifuge gewordenen Heimat herausgeschleudert waren[…]."

(Stefan Andres: Positano, 1984, S. 175f)

Stefan Andres 1906-1970

  • 1906      geboren am 26. Juni in Dhron / Trittenheim
  • 1910      Umzug der Familie nach Schweich an der Mosel
  • 1916      Tod des Vaters
  • 1918-20  Besuch der Klosterschule des Collegium Josephinum in Vaals / Holland
  • 1920-26 Tätigkeiten als Krankenpfleger und Lehrer
  • 1926-27  Noviziat im Kapuzinerorden in Krefeld
  • 1928-29 Vorbereitung auf das Priesteramt in Bensheim an der Bergstraße
  • 1929-32 Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie an den Universitäten Köln, Jena, Berlin
  • 1932      Heirat mit Dorothee Freudiger, Honorararbeiten für Zeitungen und Tätigkeit beim Kölner Rundfunk
  • 1933      Aufenthalt  in Capri und Positano
  • 1934      Reise nach Ägypten und Griechenland
  • 1935      Kündigung des Kölner Rundfunks, Verbot einer Tätigkeit für Rundfunk, Theater oder Film
  • 1937      ins Exil nach Italien (Positano)
  • 1949      Rückkehr nach Deutschland (Unkel am Rhein); Rheinischer Literaturpreis; politisches Engagement gegen die deutsche Teilung und gegen die atomare Aufrüstung
  • 1952      USA-Reise
  • 1959      Bundesverdienstkreuz
  • 1961      Übersiedlung nach Rom
  • 1966      Ägyptenreise
  • 1967-68 Große Asien- und Orientreise
  • 1970      Tod in Rom am 29. Juni

Wichtige Werke von Stefan Andres

  • 1933   Bruder Lucifer, LBZ-Signatur: 1.673
  • 1934   Die unsichtbare Mauer, LBZ-Signaatur: G 41.2459
  • 1936   El Greco malt den Großinquisitor, LBZ-Signatur: D/L 1652 
  • 1937   Moselländische Novellen,  LBZ-Signatur: 37.1515*
  • 1939   Der Mann von Asteri, LBZ-Signatur: 50.930
  • 1943   Wir sind Utopia, LBZ-Signatur: 8.9180
  • 1947   Die Hochzeit der Feinde, LBZ-Signatur: 50.282
  • 1948   Ritter der Gerechtigkeit, LBZ-Signatur: P = F 61130 *
  • 1949   Band 1 der Trilogie "Die Sintflut": Das Tier aus der Tiefe, LBZ-Signatur: 2018/128:1
  • 1951   Band 2 der Trilogie "Die Sintflut": Die Arche, LBZ-Signatur: 2018/128:2
  • 1953   Der Knabe im Brunnen*  LBZ-Signatur: P = F 61142
  • 1954   Die Reise nach Portiuncula, LBZ-Signatur: 2018/124*
  • 1959   Band 3 der Trilogie "Die Sintflut": Der graue Regenbogen, LBZ-Signatur: 2018/128:3
  • 1960   Die großen Weine Deutschlands, LBZ-Signatur: S = T 15 And*
  • 1962   Novellen und Erzählungen Band 1, LBZ-Signatur: P = F 61770
  • 1963   Der Mann im Fisch, LBZ-Signatur: P = F 61936*
  • 1964   Novellen und Erzählungen Band 2: Das goldene Gitter, LBZ-Signatur: P = F 62120*
  • 1965   Die biblische Geschichte, LBZ-Signatur: P = M 4144
  • 1966   Der Taubenturm, LBZ-Signatur: P = F 62702*
  • 1971   Die Versuchung des Synesios (posthum), LBZ-Signatur: 95/2706*

    * Erstausgaben im Bestand des Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz vorhanden.

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Ich sprach mit den Pferden, den Kühen und sogar mit den Schweinen. Wo ich hinblickte, kletterte, kroch, sprang ein lebendiges Wesen und wenn ich die Augen schloß, hörte ich rings um mich her all diese kleinen feinen Geräusche: die Welt war wie der Eisentopf der Mutter, in dem die Speckgrieben tanzten und schrien.

(Stefan Andres: Jahrgang 1906 In: Wilhelm Große (Hrsg.): Stefan Andres, 1980, S. 16)

Die frühen Jahre: Kindheit, Jugend, Studium

Fährturm in Schweich

Stefan Andres wurde am 26. Juni 1906 als sechstes von neun Kindern eines Müllers im Tal der Kleinen Dhron geboren. Als der Vater durch den Bau einer Talsperre die Mühle aufgeben musste, zog die Familie 1910 nach Schweich, wo der Dichter seine Kindheit und Jugend verlebte. In seinem 1953 erschienen Werk „Der Knabe im Brunnen“ erzählt der Autor die Geschichte seiner Kindheit im Moselland.

Da seine Eltern bestimmt hatten, dass er Priester werden sollte, besuchte Andres nach der Volksschule ab 1918 das Collegium Josephinum der Redemptoristen in Vaals, das er 1920 wieder verließ. Nach Aufenthalten in Lehranstalten verschiedener Orden legte er 1926 sein Lehrerexamen und 1929 im Bischöflichen Konvikt von Bensheim sein Abitur ab. Anfang Januar 1928 übernahm er die Schriftleitung der katholischen Monatszeitschrift „Der Marienborn”, in der einige seiner frühen Gedichte und Erzählungen erschienen. Er entschloss sich, das  Ziel, Priester zu werden, aufzugeben und begann ein Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Köln, das er später in Jena und Berlin fortsetzte. In Jena lernte er die Medizinstudentin Dorothea Freudiger kennen, die er 1932 heiratete. Im gleichen Jahr erhielt er ein Stipendium der Abraham-Lincoln-Stiftung. Dies ermöglichte ihm die Verwirklichung eines lang gehegten Traums einer mehrwöchigen Italienreise. 1933 erschien sein erster Roman „Bruder Lucifer“ im Diederichs Verlag.

Handschriftliches Manuskript
Manuskript "Die Vermummten"

Werke

Andres, Stefan: Der Knabe im Brunnen. Erstausgabe. München: Piper, 1953.
LBZ-Signatur: P = F 61142
In dem Roman „Der Knabe im Brunnen“ hat Andres seine Kindheit literarisch verarbeitet. Zeitgenössische Kritiker lobten den psychologischen Ansatz und die humorvolle Erzählweise.

Andres Stefan: Die Vermummten. Eigenhändiges Manuskript. O. Ort. O. Jahr.
LBZ-Signatur: H 2015/5
Bei dem Manuskript handelt es sich um das von der gedruckten Fassung in Teilen abweichende Manuskript der Erzählung „Die Vermummten“, die zusammen mit anderen Erzählungen in den „Moselländischen Novellen“ 1937 erschienen ist. Sie erzählt von einem Dummen-Jungen-Streich in einer Nacht im Jahr 1888, der die Realität des Dorflebens verändert und dessen zerstörerische Folgen erst Jahre später deutlich werden.

Andres Stefan: Moselländische Novellen. Erstausgabe. Leipzig: List, 1937.
LBZ-Signatur: 37.1515
In den „Moselländischen Novellen“ setzte Stefan Andres seiner Heimat an der Mosel ein Denkmal. Grundthema der Erzählungen ist die Erlösung des Menschen von Schuld. Zur Darstellung verwendet der Dichter mythische und biblische Motive wie den Vater-Sohn-Konflikt oder den Brudermord. Der Band mit den fünf Erzählungen „Die unglaubwürdige Reise des Knaben Titus“, „Die Vermummten“, „Der Menschendieb“, „Gäste im Paradies“ und „Der Abbruch ins Dunkle“ gehört zu seinen erfolgreichsten Werken.

Andres, Stefan: Bruder Lucifer. Düsseldorf: Diederichs, 1950.
LBZ-Signatur: 1.673
Der Roman – in der Erstausgabe 1933 bei Diederichs erschienen -  verarbeitet die Erfahrungen des Dichters als Klosterschüler und Novize im Kapuzinerorden und wurde von der Kritik sehr positiv aufgenommen. 

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Nationalsozialismus und Emigration nach Italien 1933-1949

Hausecke mit Straßenschild
Die nach dem Dichter benannte Straße in Positano.

Stefan Andres stand dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber und fürchtete um die Sicherheit seiner Frau, die aus einer jüdischen Familie stammte. Daher hielten sich die beiden schon 1933 länger in Italien auf, kehrten aber wieder nach Deutschland zurück. 1935 wurde seine Stelle beim Kölner Rundfunk gekündigt und man verbot ihm eine Tätigkeit bei Rundfunk, Theater oder Film. Die Pressalien häuften sich und so  emigrierte Andres 1937 mit seiner Familie nach Italien. Bis 1949 lebten sie in dem kleinen Fischerdorf Positano am Golf von Salerno, in dem sich seit den 20er Jahren eine kleine Künstlerkolonie entwickelt hatte. Andres unterrichtete die Kinder anderer Emigranten in Deutsch und Latein und erhielt zum Teil noch die Honorare seiner früher erschienen Bücher. Er fand Eingang in die Künstlerszene Positanos und lernte den Maler Kurt Craemer (1912-1961) und die Schriftsteller Walter Meckauer (1889-1966) und Armin T. Wegner (1886-1978) kennen.

1940 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, weil er das Reichsgebiet verlassen hatte. Dies kam einem Berufsverbot in Deutschland gleich. Die Zeit im Exil war einer seiner fruchtbarsten Schaffensphasen. Hier entstanden u.a. die Werke „Der Mann von Asteri“, „Die Hochzeit der Feinde“, „Der gefrorene Dionysos“, „Die Reise nach Portiuncula“.

Andres verarbeitete seine Exilerfahrungen in Positano in verschiedenen Werken, so in dem Roman „Der Taubenturm” (1966) und in den „Geschichten aus einer Stadt am Meer” (1957).

Werke:

Andres, Stefan: El Greco malt den Großinquisitor. Berlin: Deutsche Buchgemeinschaft, 1936.
LBZ-Signatur: D/L 1652 
Die Novelle gehört zu den fünf meistgelesenen Werken des Autors. Im Mittelpunkt steht nicht der Künstler oder das Kunstwerk allein sondern sein Verhältnis zu Staat und Politik. Das Thema ist im historischen Zusammenhang mit seiner Entstehungszeit - den frühen Jahren des Nationalsozialismus - zu sehen.  Andres übt mit seiner subtilen Erzählweise indirekt Kritik an der nationalsozialistischen Diktatur.  

Andres, Stefan: Gedichtmanuskript. O.Ort, o.Jahr [Positano, 1948].
LBZ-Signatur des Originals : H 27
Dieses Gedichtmanuskript konnte das Landesbibliothekszentrum im Juni 2020 erwerben. Es ist 1948 in Positano entstanden.

Andres, Stefan: Wir sind Utopia. Erstausgabe. Berlin: Riemerschmidt, 1943.
LBZ-Signatur: 8.9180
Die Novelle um den Spanienkrieg entstand 1941 innerhalb von 14 Tagen in Positano. Sie ist das meistgelesene Werk des Autors, der in ihr das wahre Gesicht einer Diktatur sowie Problematik und Grenzen des inneren Widerstandes darstellt. 

Andres, Stefan: Ritter der Gerechtigkeit. Erstausgabe. München: Piper,1948.
LBZ-Signatur: P = F 61130
Die Handlung des Romans, der 1946 bis 1947 in Positano entstand, spielt in den Jahren 1943 bis 1945 in Neapel und verknüpft die Schuldthematik mit dem Motiv der irdischen und einer höheren Gerechtigkeit.  

Andres, Stefan: Die Hochzeit der Feinde. Berlin: Nauck, 1948.
LBZ-Signatur: 50.282
Andres begann den Roman, in dem es um die Versöhnung zwischen Franzosen und Deutschen geht, schon 1934 und vollendete ihn in Positano. Kein deutscher Verlag wagte, ihn vor Kriegsende zu drucken. Er erschien 1947 in Zürich bei Scientia, 1948 dann in Berlin bei Nauck.

Andres, Stefan: Positano : Geschichten aus einer Stadt am Meer. Erstausgabe. München: Piper, 1957.
LBZ-Signatur: 2.5287
Die humorvollen Erzählungen beschreiben den Ort und seine spezifische Atmosphäre. Besonders interessant sind die Porträts besonderer Typen oder auch „Käuze“, die in Positano lebten.

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Die Unkeler Jahre 1950-1961

Gartentür und Gartenmauer
Haus Kore in Unkel

Nach der Rückkehr aus dem Exil hatte Stefan Andres seinen Wohnsitz von 1950 bis 1961 in Unkel am Rhein. Auf dem Grundstück "Auf dem Rheinbüchel 36" ließ er sich einen Landsitz im Stil einer florentinischen Villa errichten - Haus Kore.

Schon in den ersten Jahren nach Kriegsende erschienen Erzählungen und Gedichte von Andres in namhaften literarischen Zeitschriften wie z. B. dem „Merkur“, der „Wandlung“ oder der von Erich Kästner herausgegebenen „Neuen Zeitung“ in München. Seine Werke publizierte er ab 1949 im Piper-Verlag und war in den fünfziger Jahren einer der populärsten deutschen Autoren.1949 erhielt er den „Rheinischen Literaturpreis“, 1952 den Literaturpreis von Rheinland-Pfalz; weitere Auszeichnungen folgten.

Prägend für die fünfziger und sechziger Jahre war sein starkes politisches Engagement. 1950 protestierte Andres gemeinsam mit Erich Kästner, Wolfgang Koeppen und Hans Nossack gegen das sogenannte  „Schmutz- und Schundgesetz“, das er als Eingriff in die Freiheit der Kunst kritisierte. Er engagierte sich politisch gegen die atomare Aufrüstung und für die Verständigung zwischen Ost- und West und die Wiedervereinigung. Als einer der führenden Köpfe der Anti-Atom-Bewegung und Mitherausgeber der Zeitschrift „Atomzeitalter“ nahm er an Ostermärschen gegen die Stationierung von US-Raketen in  Deutschland teil und trat als Redner bei politischen  Kundgebungen gegen das Wettrüsten in Erscheinung.

Eigenhändiger Brief
Korrespondenz zwischen Stefan Andres und Wilhelm Buller.

Werke:

Andres, Stefan: Maschinenschriftlicher Brief mit Unterschrift an Walther von Hollander. Unkel. 21.1.1952.
LBZ-Signatur: H 2007/4
Der Schriftsteller Walther von Hollander (1892-1973) war wie Stefan Andres Gründungsmitglied der 1950 gegründeten Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.

Korrespondenz zwischen Stefan Andres und Wilhelm Buller.
Unkel, 23.6.1950 – 18.12.1952. 25 Briefe bzw. Briefkarten
LBZ-Signatur: H 2015/6
Die 2015 erworbenen Briefe stammen aus dem Briefwechsel von Stefan Andres mit seinem Bekannten und Förderer, dem Unternehmer Wilhelm Buller in Duisburg. Sie datieren aus der Zeit von 1950 bis 1952, der Zeit, in der Andres in Unkel wohnte. Inhaltlich geht es in den Briefen u.a. um den Hausbau in Unkel und die Beschaffung von Baumaterial, die Uraufführung von „Wir sind Utopia“ etc.

Andres, Stefan: Die Reise nach Portiuncula. Erstausgabe. München: Piper, 1954.
LBZ-Signatur: 2018/124
Dieser Italien- Roman entstand nach der Rückkehr aus dem Exil in Unkel.

Andres, Stefan: Main Nahe zu Rhein-Ahrisches Saarpfalz Mosel-Lahnisches Wein-Pilgerbuch.
Neuwied: Strüder, 1951.
LBZ-Signatur: P = F 61080 
Diese Kulturgeschichte des Weines von Noah und den babylonischen Weingesetzen bis zum Weinbau in Deutschland gehört zu den meistverkauften Titeln von Stefan Andres. Das Buch ist voll von Anekdoten und übermütigen Gedichten, informiert aber auch sachlich und ausführlich über die Geschichte des Weines und über deutsche Rebsorten.

Andres, Stefan: Die Sintflut. Bd 3: Der graue Regenbogen. München: Piper, 1959.
LBZ-Signatur: 2018/128:2
An der Trilogie „Die Sintflut“ arbeitete Andres fast 20 Jahre. 1949 erschien der erste Band „Das Tier aus der Tiefe“, zwei Jahre später der zweite Band „Die Arche“, der hier dokumentierte Band „Der graue Regenbogen“ dann 1959. Auf der Grundlage des Sintflut-Stoffes schuf er ein vielschichtiges Werk, das als ein Deutschland-Roman, ein Roman über die innere Emigration, ein Roman über das Ende der Religion gelesen werden kann.

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Das römische Jahrzehnt 1961-1970

Grabstein
Das Grab von Stefan Andres auf dem Campo Santo Teutonico in Rom

Enttäuscht über die politische Entwicklung in Deutschland kehrte Stefan Andres im Herbst 1961 mit seiner Frau nach Italien zurück und lebte bis zu seinem Tod in Rom in der Nähe des Vatikans. Sein Haus wurde zum Begegnungsort für die deutsche Künstlerkolonie in Rom, darunter Ingeborg Bachmann, Uwe Johnson, Marie Luise Kaschnitz, Luise Rinser u.a.
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) war es ein beliebter Treffpunkt von Theologen, Journalisten, Politikern und Künstlern.

In seinem literarischen Schaffen löste sich Andres in den sechziger Jahren von politischen Themen und wandte sich der Philosophie und der Religion zu, so etwa in seinem Roman über den biblischen Jona „Der Mann im Fisch“ (1963). Er entwickelte eine Form christlichen Existentialismus und beschäftigte sich zunehmen mit Motiven antiker Mythologie. Neben zahlreichen Lesereisen besuchte Andres 1966 auf Einladung des Goethe-Instituts für drei Wochen Ägypten und trat 1968 eine längere Asien-Reise an.

Am 29. Juni 1970 starb Stefan Andres an einer Lungenembolie nach einer Operation. Er wurde auf dem Campo Santo Teutonico, dem deutschen Friedhof im Vatikan, beigesetzt.Sein Nachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Die Stefan-Andres-Gesellschaft in Schweich unterhält ein Stefan-Andres-Museum, in dem zahleiche Manuskripte und Dokumente zum Leben des Dichters präsentiert werden und organisiert regelmäßig Konferenzen, Lesungen und Diskussionen. 

Werke:

Andres, Stefan: Der Taubenturm. Erstausgabe. München: Piper, 1966.
LBZ-Signatur: P = F 62702
Im Roman „Der Taubenturm“, der 1964 bis 1965 in Rom entstand, beschreibt Andres in Form eines fiktiven Tagebuchs des Emigranten Odilo die Zeit der Emigration in Italien mit all ihren Problemen und Schwierigkeiten.

Andres, Stefan: Der Mann im Fisch. München: Piper, 1963
LBZ-Signatur: P = F 61936
Stefan Andres begann diesen Abenteuerroman noch in Unkel und vollendete ihn 1963 in Rom. Er verarbeitet die Jona-Geschichte des Alten Testamentes und stellt das Ringen des Menschen um und mit seiner Berufung durch Gott dar.

Andres, Stefan: Die biblische Geschichte. München: Droemer, 1965.
LBZ-Signatur: P = M 4144

Andres, Stefan: Die Versuchung des Synesios. Erstausgabe. München: Piper, 1971.
LBZ-Signatur: 95/2706
Der historische Roman, der posthum 1971 erschien, ist als biographischer Schlüsselroman zu sehen. Mit der Titelgestalt des Synesios schuf der Autor ein Selbstporträt. In dem Werk geht es um eine Synthese von Philosophie und Religion, von Christentum und Platonismus. Es wird als das geistige Vermächtnis des Dichters bezeichnet.

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„Der Nachfolgestaat wird uns nicht vorwerfen, dass wir seinen Vorgänger bekämpften; aber dass wir weggingen – ohne Grund! wird man in meinem Fall sagen -, das vergisst man uns nicht.“

(Stefan Andres: Der Taubenturm 1991, S. 80)

Literatur

Andres, Stefan: Briefe von und an Stefan Andres 1930-1970. Göttingen: Wallstein, 2018.
LBZ-Signatur: Freihand 200 = 2018/3340

Andres, Stefan: Lieber Freund, lieber Denunziant: Briefe. München u,a,: Piper, 1977.
LBZ-Signatur: 2017/1492
 
Blumenthal, Sieghild von: Christentum und Antike im Werk von Stefan Andres.
Diss. Marburg, 1997.
https://core.ac.uk/download/pdf/147498398.pdf 

Bongardt, Karl: Stefan Andres. Berlin: Union-Verl., 1990.
LBZ-Signatur: 91/39

Braun, Michael: Stefan Andres : Leben und Werk. Bonn: Bouvier, 1997.
LBZ-Signatur: 98/2434

Meyer, Claudia: Der Intoleranz mit Gerechtigkeit begegnen. Die politischen Reden von Stefan Andres. Münster: Monsenstein und Vannerdat, 2010.
LBZ-Signatur: 2010/1974

Reinirkens, Leonhard: Stefan Andres: sein Jahrzehnt in Unkel und sieben Jahre Nachbarschaft. Unkel: Verl. Der Rheinländer, 2011.
LBZ-Signatur: 2011/3774

Stefan Andres: eine Einführung in sein Werk. München: Piper, 1962.
LBZ-Signatur: P = F 4814

Stefan Andres: ein Reader zu Person und Werk. Trier: Spee-Verl., 1980.
LBZ-Signatur: 10.8648

Website der Stefan-Andres-Gesellschaft Schweich [Stand: 9.6.2020]

„Kein Land Europas, in dem die Bürgerrechte garantiert sind, könnte für mich wirklich Ausland bedeuten,erst recht nicht Italien, am allerwenigsten aber Rom, welches ja das von der Geschichte selbst errichtete Sinnbild Europas ist.“

(Stefan Andres: Warum ich in Rom lebe. Notiz für die Zeitschrift „Der Jungbuchhandel“, 6.8.1964)

Kontakt

LBZ / Rheinische Landesbibliothek
Dr. Barbara Koelges
Telefon: 0261 91500-474
E-Mail: Barbara.Koelges(at)lbz.rlp.de 

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